Versöhnung auf dem „Menschenfresserberg“
Gemeinsamer Besuch von Beueler und Mirecourten der Gedenkstätte Hartmannsweilerkopf in Wattwiller/Elsass
Seit nunmehr 49 Jahren besteht die Städtepartnerschaft zwischen Beuel und der Stadt Mirecourt.
Regelmäßig trifft man sich zu verschiedenen Anlässen um die Freundschaft zu pflegen, gemeinsam zu feiern und diesen kleinen Puzzlestein in Europa zu festigen. Die Begegnungen werden insofern immer wieder genutzt, um sich gemeinsam mit der europäischen und der deutsch-französischen Geschichte zu beschäftigen. So auch zuletzt bei der gemeinsamen Fahrt des Beueler Partnerschaftskomitees mit der Bürgerfahrt nach Mirecourt. Am Samstag, den 9. Juni, ging es mit 2 Bussen und über 70 Personen von Mirecourt in das Elsass zu Hartmannsweilerkopf. Dort haben am 10. November 2017 der Präsident der Französischen Republik, Emmanuel Macron und der Präsident der Bundesrepublik Deutschland, Frank-Walter Steinmeier die erste gemeinsame deutsch-französische Gedenkstätte eingeweiht.
Zunächst legten der Bürgermeister von Mirecourt, Yves Sejourné und der stellvertretende Beueler Bezirksbürgermeister, Ralf Laubenthal, gemeinsam ein Blumengebinde zur Erinnerung an die heute existierende deutsch-französische Freundschaft in der Krypta der französischen Gedenkstätte nieder. In der Krypta gibt es einen katholischen, einen evangelischen und einen jüdischen Altar. Diese Gedenkstätte gibt es bereits seit 1920. Deutsche Soldaten im zweiten Weltkrieg wollten diese Gedenkstätte zunächst zerstören, ließen aber davon ab, nachdem ihnen erklärt wurde, dass auch Gebeine deutscher Soldaten dort begraben sind. Im Jahr 2014 haben die damaligen Präsidenten Francois Hollande und Joachim Gauck den Grundstein für eine gemeinsame Gedenkstätte anlässlich der bedeutenden Gedenkfeierlichkeiten zum 100. Jahrestag des Beginns des ersten Weltkrieges gelegt. 100 Jahre nach dem Ende des ersten Weltkrieges reichten sich Beueler und Mirecourter im Gedenken an die Toten versöhnlich und freundschaftlich die Hände vor dem Eingang der Krypta.
Der Reiseleiter führte die deutsch-französische Gruppe über das Gräberfeld in die noch vorhandenen und wieder restaurierten Schützengräben der französischen Soldaten. 956 Meter hoch ist der Hartmannsweilerkopf und war zunächst nur ein unbedeutender Vorposten. Von diesem Berg hatte man einen weiten Blick ins Tal, um mögliche Truppenbewegungen beobachten zu können. Deutsche und französische Truppen lagen nur wenige Meter voneinander entfernt und kämpften erbittert um diesen Aussichtsposten. Zehn Monate brauchte die französische Armee, um eine Distanz von ca. zwei Kilometer zu erobern, um mühselig wieder zurück gedrängt zu werden. Nach jeder verlorenen Schlacht rüsteten die unterlegenen Truppen auf, um eine Gegenoffensive zu starten. Achtmal wechselte jeweils die Herrschaft über diesen Berg. Am Ende waren fast 30.000 Tote und Zigtausende Verletzte zu verzeichnen. Für Nichts.
Eindrucksvoll wurden der Gruppe die alltäglichen Dinge der jungen Soldaten erklärt. Vom Bau der Schützengräben und Unterstände, der Sicherung mit Stacheldraht, aber auch die Verrichtung menschlicher Bedürfnisse und Versorgung der vordersten Linien mit Wasser und Verpflegung waren gefährlich, war man doch immer im Visier des Anderen. So gab es auch wenige Freiwillige, die zur Sicherung der eigenen Reihen mit Stacheldraht herangezogen wurde. Meist wurden Soldaten hierzu befohlen, die vorher ein Fehlverhalten an den Tag gelegt hatten. In den eigenen Exkrementen standen die Soldaten, um ihre „Pflicht“ zu erfüllen. Ungeziefer und insbesondere die Witterungsbedingungen im Winter ließen die Gräben zur Hölle werden, an der Infanteriesoldaten und Gebirgsjäger ihren Tod fanden. Aus Tagebüchern und Briefen von der Front ist zu entnehmen, wie rauchgeschwängert die Luft war, dass man keine 5 Meter weit sehen konnte, wie Granaten, die in die Schützenstände einschlugen, Menschen zerfetzt und durch die Luft geschleudert haben, die Körperteile in den verkohlten Bäumen und Gebüschen hängen blieben. Nichts, was man jemals wieder erleben möchte. Die Führung ging nahtlos von den französischen Gräben weiter über die Linien der deutschen Stellungen, wo auch die unterschiedliche Bauweise der Schützengräben und Posten deutlich wurde. Bauten die französischen Soldaten eher Blockhäuser aus Holz und Material, was sie vor Ort fanden, verwendeten die deutschen Soldaten Beton. Das Material wurde mit einer eigens hierfür gebauten Seilbahn auf den Berg gebracht. Vom Gipfelkreuz aus gab es einen Blick auf das Gräberfeld und die Krypta, eingebettet in eine heute wieder wunderbare Waldlandschaft.
Nachdenklich fuhren alle anschließend zurück nach Mirecourt, aber auch froh und glücklich über das heutige friedliche und freundschaftliche Miteinander beider Länder.